Das Schulgebäude des Erich-Gutenberg-Berufskollegs (EGB)
Das Erich-Gutenberg-Berufskolleg in Köln besteht seit 1965 und blickt inzwischen auf 60 Jahre Geschichte zurück. Unser Hauptgebäude, der sogenannte A-Trakt, ist ein vierstöckiges, etwa 70 Meter langes Bauwerk. Jede Etage verfügt über einen zentralen Flur, von dem zahlreiche Klassenräume abzweigen.
Das Hauptgebäude wurde bereits umfassend von außen saniert. Insgesamt erinnert der Gebäudekomplex eher an eine Kaserne oder ein Verwaltungsgebäude als an eine moderne, neurodidaktisch ausgerichtete Schule. Dennoch tun wir unser Bestes, um unseren Schüler*innen ein angenehmes Lernumfeld zu bieten – wie unser innovatives SmartSchool-Konzept zeigt.
Literatur-Tipp:
Wie wir lernen mussten, auf Distanz unterrichten zu dürfen.
Herausgeber EGB Köln, vers. Autoren, 2021
Lernräume und ihre Entwicklung
Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung des Lernorts Schule noch einmal deutlich gemacht. Sie hat nicht nur gezeigt, wie essenziell der Lernraum vor Ort ist, sondern auch den virtuellen Lernraum ins Bewusstsein gerückt. Während analoge Lernräume vor allem durch ihre Ausstattung und Atmosphäre geprägt sind, spielen bei virtuellen Lernräumen Faktoren wie Stabilität, Performance, Datenschutzkonformität und Benutzerfreundlichkeit eine zentrale Rolle.
Ein:e Schüler:in verbringt im Laufe der Schulzeit durchschnittlich rund 11.000 Stunden in der Schule, davon mehr als 80 % in Klassenräumen. Um diesem wichtigen Ort gerecht zu werden, setzen wir uns für eine zukunftsorientierte Gestaltung unserer Räume ein.
Wir haben unsere Ideen zunächst in einen Grundriss übertragen und die uns wichtigen Phasen gekennzeichnet. Daraus haben wir verschiedene Konzepte abgeleitet und uns an die Umsetzung gewagt.
Unser Projekt: SmartRooms
Um das EGB als modernen Lernort weiterzuentwickeln, planen wir, unsere Klassenräume in wohldurchdachte, multifunktionale SmartRooms zu verwandeln. Diese sollen ein selbstorganisiertes und individuelles Lernen fördern und zugleich eine Wohlfühlatmosphäre bieten.
Die Finanzierung für die Umgestaltung der ersten drei Klassenräume erfolgt aus gewonnenen Wettbewerbspreisen. In enger Zusammenarbeit mit der Schüler:*innenvertretung, den Schüler*innen, den Lehrkräften, dem Förderverein sowie unserem externen Partner, der ASS-Einrichtungssysteme GmbH, konnten wir diese Vision realisieren. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an alle Unterstützer*innen!
Mittelfristig hoffen wir auf die Unterstützung unseres Schulträgers, um nach erfolgreicher Umsetzung weitere Räume – und letztendlich alle unsere Klassenräume – in zukunftsorientierte SmartRooms zu verwandeln.
SmartRoom: Die perfekte Lernumgebung
Ein SmartRoom berücksichtigt wichtige Variablen, um eine optimale Lernatmosphäre zu schaffen. Dazu zählen Farbgestaltung, Akustik, Lichtverhältnisse, Raumgröße, Möbel, Nachhaltigkeit und technische Ausstattung – stets unter Beachtung von Brandschutz und Gesundheitsschutz.
1. Farbgestaltung
Farben beeinflussen den Lernprozess: z. B. fördern Gelb- und Orangetöne eine Gruppenarbeit, Rottöne unterstützen Einzelarbeit. Eine farbig gestaltete Wand reicht oft aus. Magnetfarbe ermöglicht zudem eine flexible Nutzung für Poster und Skizzen.
2. Akustik
Eine gute Akustik fördert Kommunikation und Kooperation und steigert so das Wohlbefinden und den Lernerfolg.
3. Licht
Die richtige Kombination aus Tages- und Kunstlicht wirkt sich positiv auf Aufmerksamkeit und Wahrnehmung aus. Z. B. sind LED-Lampen mit mindestens 300 Lux ideal für Gruppenarbeiten, flexible Leselampen mit 500 Lux für Einzelarbeiten.
4. Technik
Digitale Schlüsseltechnologien wie Projektionsflächen und Access-Points sollten Standard in modernen Klassenzimmern sein.
5. Raumgröße
Flexibilität ist entscheidend: Räume sollten sich leicht für Präsentation, Gruppen- und Einzelarbeit umgestalten lassen. Hier können Trennwände eine gute Ergänzung sein.
6. Nachhaltigkeit
Mülltrennung und energieeffiziente Heizsysteme sorgen für eine nachhaltige Nutzung. Lernräume sollten individuell beheizbar sein (20-24 Grad).
7. Mobiliar
Schüler*innen verbringen die meiste Zeit in einer Schule im Sitzen. Aus diesem Grund sollten die Möbel, und hier insbesondere die Sitzmöglichkeiten, individuell abgestimmt
und ergonomisch gestaltet sein. Dazu zählen die Möglichkeit der Höhenverstellbarkeit für unterschiedliche Körpergrößen, Wippmöglichkeiten durch Sitzflächen und vers. Rückenlehnen (dynamisches Sitzen). Ergonomische, flexible, höhenverstellbare Möbel und Bewegungsmöglichkeiten fördern den Lernprozess und sind in unseren SmartRooms umgesetzt.
8. Raumklima
Pflanzen verbessern das Raumklima und fördern die Gesundheit und das Wohlbefinden. Zudem können sie die Luftfeuchtigkeit und auch den Geruch beeinflussen.
Die Farbe Grün bewirkt bei Menschen das Gefühl der Sicherheit und Harmonie und führt zu Stressabbau und Muskelentspannung.
9. Sonstiges
Alle Klassenräume sollten eine Kaffee-/Tee-/Wasser-Ecke besitzen, da bei Flüssigkeitsmangel die Aufmerksamkeit, die Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie der Wissenserwerb sinkt und das Interesse am Alltagsgeschehen abnimmt. Eine platzsparende Garderobe sorgt für Ordnung und Sicherheit.
Lernräume im Einsatz
Das Konzept des selbstorganisierten Lernens
Bei der Planung der Lernraumgestaltung sollte in erster Linie das didaktische oder neurodidaktische Konzept einer Schule
ausschlaggebend sein. Der didaktische Schwerpunkt am EGB ist die Förderung von Selbstlernen (SL) und Selbstorganisation (SO) = dem selbstorganisierten Lernen
(SOL).
4 Konzepte
Der klassische Klassenraum: flexibel und vielseitig
Dieser Raum vereint traditionelle Frontalausrichtung mit modernen, flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten. Bereits vorhandene Möbel, wie grüne und blaue Stühle sowie weiße Tische, werden ergänzt, um eine harmonische Raumgestaltung zu gewährleisten.
Die Hauptfarbe Blau sorgt laut Farbpsychologie für Ruhe, Zufriedenheit sowie gesteigerte Kreativität und Leistungsfähigkeit.
Akustische Wandabsorber im gleichen Farbton unterstützen eine angenehme Atmosphäre.
Der Raum steht Klassen des Vollzeit-Bildungsgangs Berufsfachschule zur Verfügung und bietet sowohl klassische als auch innovative Nutzungsmöglichkeiten. Dank fahrbarer Einzeltische und Trennwände kann er schnell von einem Frontal- in einen Gruppenarbeitsraum umgestaltet werden. Für individuelle Lernphasen stehen zusätzliche Bereiche wie ein Ecksofa, Fensterarbeitsplätze, ein Nebenraum und eine Lerninsel im Flur bereit.
Der moderne Klassenraum: Lern-Lounge im Zentrum
Die Hauptfarbe dieses Raums ist Grün, eine Farbe, die laut Farbpsychologie Ruhe, Entspannung und ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Dieser Raum steht den Klassen des Vollzeit-Bildungsgangs Höhere Berufsfachschule zur Verfügung und bricht mit der klassischen Frontalausrichtung. Im Zentrum des Raums befindet sich eine Lern-Lounge, um die weitere Sitz- und Arbeitsmöglichkeiten angeordnet sind.
Zusätzliche Bereiche wie Fensterarbeitsplätze und ein Nebenraum mit einer gemütlichen Podest-Lernlandschaft bieten individuellen Lernphasen Raum. Durch flexible Platzwechsel entsprechend dem didaktisch-methodischen Aufbau ersetzt dieser Raum das traditionelle Klassenraumsetting und schafft eine moderne, wohnliche Lernumgebung.
Innovativer Klassenraum im Sinne von „New Work“
Unser neuer Klassenraum, inspiriert von „New Work“, steht für maximale Flexibilität und Mobilität. Die mediterranen Mint- und Ocker-Farbtöne schaffen eine behagliche Atmosphäre und fördern Geselligkeit sowie Motivation. Akustische Wand- und Deckenabsorber ergänzen das Konzept.
Dieser Raum wurde speziell für die Berufsschulklassen im dualen System entwickelt. Anstelle der klassischen Frontalausrichtung steht eine Lern-Lounge im Zentrum des Raums. Ergänzend dazu ermöglichen flexible Möbel wie fahrbare Tische, Fensterarbeitsplätze und eine Lerninsel, die schnell auf den Flur geschoben werden kann, sowohl Gruppen- als auch Einzelarbeit.
Die BYOD-Klassen nutzen diesen Raum komplett papierlos und kombinieren Präsenz- und Online-Unterricht, wodurch das Frontalprinzip vollständig aufgelöst wird. Unser flexibles Raumkonzept unterstützt so modernes und individuelles Lernen.
Selbstorganisiertes Lernen
Ein weiteres Konzept, welches sich aktuell in der Umsetzungsphase befindet, trägt den Fokus des SOL-Konzeptes. Hier sollen Schüler*innen durch flexibel Einzelarbeitsplätze und einer zentralen großen Lerninsel in der Mitte des Raumes inspiriert werden.
Neurodidaktische Lernräume realisieren
Falls Sie darüber nachdenken, Ihre Klassenräume umzugestalten, möchten wir Ihnen einen einfachen, aber wirkungsvollen Rat mit auf den Weg geben: Legen Sie einfach los! Um Ihnen den Einstieg zu erleichtern, finden Sie hier eine praktische Übersicht, eine umfassende Checkliste:
Der dritte Pädagoge - Neurodidaktische Lernraumgestaltung
In der Reihe Die BASS von A bis Z dokumentieren wir über den Ritterbachverlag unser Vorhaben. Es sind bisher die zwei folgenden Hefte erschienen, die hier erhältlich sind. Ein drittes Heft in aktuell in Arbeit.
Der dritte Pädagoge - Neurodidaktische Lernraumgestaltung (Teil 1)
Autor: D. Steppuhn
Erscheinungsdatum: 25.04.2023
Der dritte Pädagoge - Neurodidaktische Lernraumgestaltung (Teil 2)
Von der Planung bis zur Realisierung eines SmartRooms
Autoren: K. Bastian, J. Fuhrmann, D. Steppuhn, L. Vermaasen
Erscheinungsdatum: 12.02.2024
Falls Sie mehr über den Neurodidaktischen Hintergrund unserer Arbeit erfahren möchten, finden Sie hier ein weiteres Heft aus dem Ritterbach Verlag.
Neurodidaktik: Gehirngerechtes Lernen mit, durch und über Künstliche Intelligenz
Autoren: J. Fuhrmann, D. Steppuhn
Erscheinungsdatum: 20.02.2025